Die Zeit heilt, aber bestimmt keine Wunden

Heute vor einem Jahr startete carlensom.com! Es wäre ein Grund zum Feiern und ein Grund, das Jahr Revue passieren zu lassen. Letzteres will ich heute mit diesem Text machen. Ersteres vertage ich auf irgendwann. Wer kann schon mit Erwartungen umgehen, vor allem mit den eigenen? Die Erwartungen können mich mal, zumindest für diesen einen Moment, in dem ich diesen Satz schreibe. Und wisst Ihr was? Es tut gut, diesen Satz zu schreiben. Vielleicht probiert Ihr das auch mal?!

Wer kann schon mit Erwartungen umgehen, vor allem mit den eigenen?

Happy Birthday Carl, sag ich mal. Carl fragt sich gerade, was das soll. Carl weiß nämlich, dass er nicht der erste in meinem Leben ist. Carl hatte einen Vorgänger. Wir sprechen seinen Namen nicht mehr aus. Denn ich habe ihn getötet. Gelöscht ist wohl das bessere Wort. Und Carl hat geholfen, ihn zu begraben. WordPress übrigens auch. Danke WordPress und danke Carl.

Ich sage gern, Carl war ein Befreiungsschlag. Und es ist gar nicht übertrieben. Ich wurde mal gefragt, und das war vor der Pandemie, ist also lange her, was ich mir zum neuen Jahr wünsche. Ich sagte, ich wolle gern mehr schreiben. Die Reaktion kam nicht überraschend: »Du schreibst?« Ja, ich schreibe und veröffentliche die Texte auch auf meiner Website. Mal waren es zwölf Texte in einem Jahr, mal auch nur acht oder neun. Ich wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Entweder begrabe ich dieses »Hobby« oder ich steige richtig ein.

Ich habe mich für letzteres entschieden und im vergangenen Jahr 60 Texte veröffentlicht. Zugegeben, ich habe einige alte Texte überarbeitet und neu veröffentlicht. Ich habe meinem Alter Ego ein neues Antlitz verpasst. Ich konnte sogar einige Texte bei der wunderbaren Community »Lost and Found« veröffentlichen. Da solltet Ihr unbedingt mal vorbeischauen.

Das erste Jahr ist vorbei. Die Zeit ist vor uns allen davon gerannt. Sie versprach Heilung, das macht sie immer. Aber meine Wunden klaffen noch immer. Zeit heilt bestimmt keine Wunden. Sie macht uns vergessen, sie macht uns sanfter gegenüber den Erfahrungen und den Verletzungen. Ich bin mit der Zeit im Reinen, zumindest für heute. Heute habe ich geschrieben, meine Erwartungen gefüttert. Ich habe Euch ein Stück von meiner Seele hingeworfen wie ein Bettler, der seinen Hut auf die vom Regen nasse Straße wirft und Dich erwartungsvoll anschaut.


Ich habe den Titel dieses Textes kürzlich einem Instagram-Account entlehnt (entschuldige Anna Fröhlich, @ohdiefroehliche). Seit Tagen schon versuche ich diesen Zeilen zu schreiben. Ich wusste nicht wie. Die Inspiration erscheint mir oft wie ein flatterhafter Geist. Sie kommt unerwartet und geht, als wäre der Deibel hinter ihr her. Ein D-Zug, der schon längst vorbei ist, wenn der Fahrtwind einem die Frisur ruiniert. Heute habe ich Anna Fröhlichs Gedicht (Gedicht anzeigen) gelesen und da waren die Zeilen da. Vielen Dank dafür.