Dichterin sein von Florbela Espanca

Der 8. März ist Internationaler Frauentag. Googelt man den Begriff, stößt man unweigerlich auf den entsprechenden Wikipedia-Artikel. Dort heißt es gleich in der ersten Zeile »Internationaler Frauentag (englisch International Women’s Day, kurz IWD), Weltfrauentag, (Internationaler) Frauenkampftag oder kurz Frauentag« Die Vielfalt lädt DEN Leser des Artikels ein, sich für einen dieser Begriffe zu entscheiden. Und das wohlfeile Angebot lautet »kurz Frauentag«.

Feiertag

Aber natürlich. Ein Tag für die Frauen. 1/365 des Jahres widmen wir den Frauen. Wir feiern sie, schenken Blumen, treten für ihre Rechte ein. Dieser lange Begriff »(Internationaler) Frauenkampftag« scheint also völlig irreführend zu sein. Kampftag, wieso denn Kampftag? Der Frauentag ist ein Feiertag, zumindest in Berlin. Und in 24 anderen Ländern der Erde ebenso. In drei dieser Länder, China, Nepal und Madagaskar, gilt dieser Feiertag sogar ausschließlich für Frauen. In chinesischen Staatsbetrieben bekommen Frauen sogar den halben Tag frei.

Rein rechtlich steht die Volksrepublik China demnach besser da als Deutschland. Dort braucht es nur 1/730 des Jahres, um die Rechte der Frau in den Vordergrund zu stellen. Und wie wird dann entschieden, welcher Teil des Tages den Frauen gewidmet wird? Vormittags ist das ja schlecht. Vor der Arbeit müssen Frauen doch wichtige familiäre Aufgaben übernehmen. Nach der Arbeit allerdings auch. Kinderbetreuung zum Beispiel.

Dichterin sein bedeutet

höher und größer zu sein

als die Menschen!

Aus »Dichterin sein« von Florbela Espanca
Ein lebenslanger Kampf

Frauen kämpfen, ob sie wollen oder nicht. Sie kämpfen ein Leben lang gegen die vom Patriarchat zugeschriebenen Rollen. Sie kämpfen um Gleichberechtigung auch untereinander. Sie kämpfen aber auch um Anerkennung ihrer Leistungen. Sie kämpfen um Selbstbestimmung und um ihre Stimme. Eine dieser Stimmen war Florbela Espanca.

Florbela Espanca

Die portugiesische Lyrikerin wurde 1894 in Vila Viçosa als Flor Bela d’Alma da Conceição geboren. Ihre Mutter arbeitete als Hausmädchen im Haus ihres Vaters. Und obwohl sie beim Vater aufwachsen durfte, lastete auf ihr doch der »Makel« der unehelichen Tochter.

Schwarz/weiß-Foto von Florbela Espanca. Sie trägt eine Perlenkette und einen Mantel mit Fellkragen.
Florbela Espanca, vor 1930 © Wikimedia Commons

Florbela Espanca gilt heute als eine der Wegbereiterinnen für Frauenrechte in Portugal. Ihre Gedichte galten als ungestüm, egozentrisch, erotisch und emotional. Zuschreibungen, die eher auf die Defizite weiblicher Autorinnen hinweisen sollten. In einer von Männern dominierten Welt öffnete Espanca den Frauen die Tore des Literaturbetriebs. Sie kämpfte gegen die gesellschaftlich vorgeschriebenen Grenzen ihrer Zeit. Ihre Scheidungen, die Liebe zu ihrem Bruder, eine mentale Erkrankung oder der Wunsch, frei lieben zu wollen, wie sie es in einem ihrer berühmtesten Gedichte »Amar!« (»Lieben!«) beschrieben hat, wurden ihr stets als Unzulänglichkeiten und Unangepasstheiten vorgeworfen.

Florbela Espanca beging am 8. Dezember 1930, ihrem 36. Geburtstag, Selbstmord. Ihre Gedichte aber bleiben.

Ich will lieben und mich in der Liebe verlieren!

Lieben nur um des Liebens willen: Hier… dort…

Noch diesen und jenen, den nächsten und alle…

Lieben! Lieben! Und niemanden lieben!

Aus »Lieben!« von Florbela Espanca
Dichterin sein, nicht Dichter

Anlässlich des Internationalen Fauenkampftages​ habe ich am vergangenen #poetrysunday Florbela Espancas Gedicht »ser poeta« (»Dichter sein«) gelesen. Da Poeta ist im Portugiesischen sowohl die männliche als auch die weibliche Form darstellt, habe ich das Gedicht umgewandelt. »Dichterin sein« war der Wunsch von Florbela Espanca – Dichterin, nicht Dichter.

Ich wünsche ein gutes, andauerndes feministisches Kampfjahr, für mehr Intersektionalität und gegen Heteronormativismus. Wir sehen uns alle im nächsten Jahr wieder.